Hebamme mit Hörrohr

Welthebammentag: Kampfgeist, Bauchgefühl und medizinische Expertise

Vermutlich sind auch Sie im Beisein einer Hebamme geboren. Denn in Österreich darf keine Geburt ohne Hebamme stattfinden. Warum das so wichtig ist? Hebammen sind medizinische ExpertInnen für einen natürlichen Geburtsverlauf. Nur, wenn etwas auffällig wird, werden ÄrztInnen hinzugezogen.

Im Wiener Gesundheitsverbund sind 221 Hebammen beschäftigt. Eine davon ist Tatjana Schuster. In der Klinik Floridsdorf hat sie rund 200 neue Erdenbürger*innen begrüßt.

Für den Welthebammentag beantwortet sie uns die wichtigsten Fragen rund um den Hebammenberuf.

Neben den zentralen Aufgaben, schönsten Momente und größten Herausforderungen verrät Tatjana Schuster uns auch, warum eine Portion Kampfgeist bei einer Hebamme nicht fehlen darf.

Hebamme ist einer der ältesten Frauenberufe: Wie wichtig ist er heute noch?

Der Beruf der Hebamme ist heute genauso wichtig wie er immer war. Als medizinisches Fachpersonal sind wir Expert*innen für die Themen Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillen und alles was dazu gehört.

Neben unserer medizinischen Fachkompetenz sind wir zu einem großen Teil auch da, um Bedürfnisse von Frauen, Babys und Familien zu erkennen. Wir passen uns dabei ganz individuell an. Wir sind da, um Frauen zu empowern und sie zu schützen. Wir setzen uns für Frauengesundheitsthemen ein und leisten Aufklärungsarbeit.

Was sind die zentralen Aufgaben einer Hebamme?

Die Arbeit einer Hebamme umfasst die Betreuung ab dem Zeitpunkt des Kinderwunsches, durch die Schwangerschaft hindurch, mitsamt Geburtsvorbereitung, Betreuung und Begleitung während der Geburt, durch Wochenbett- und Stillzeit – und im gesamten ersten Lebensjahr des Kindes. Wir arbeiten nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind verpflichtet, uns regelmäßig fortzubilden.

Wie kann man Hebamme werden?

Die Hebammenausbildung ist ein dreijähriges Bachelorstudium an der Fachhochschule. Dieses ist derzeit an sieben Standorten in Österreich möglich. Daher ist die Grundvoraussetzung die abgeschlossene Matura oder Studienberechtigungsprüfung. Danach heißt es, sich dem strengen mehrstufigen Aufnahmeverfahren zu stellen und einen der heiß begehrten Studienplätze zu ergattern.

In Wien wird das Hebammenstudium vom FH Campus Wien in Zusammenarbeit mit dem Wiener Gesundheitsverbund angeboten.

Was schätzen Sie am meisten an Ihrem Beruf?

Am meisten liebe ich den Abwechslungsreichtum meines Berufes! Egal, ob Schwangerschaftsvisite, Beratung zu einem bestimmten Thema, Akupunktursitzungen oder die Betreuung während der Geburt. Jede Frau, jedes Paar, jedes Kind, ist anders. Nie wird es zwei komplett gleiche Schwangerschaftsverläufe oder Geburten geben – es ist jedes Mal ein neues Kennenlernen und Einlassen auf individuelle Bedürfnisse, Vorstellungen und Umstände.

Was mir ganz wichtig ist zu sagen: Wir „entbinden“ Frauen nicht. Die Frauen gebären ihre Kinder aus eigener Kraft. Wir als Hebammen unterstützen und begleiten und sorgen für das Wohl von Mutter und (ungeborenem) Kind.

Es ist jedes Mal aufs Neue atemberaubend, diese Kraft und Wucht einer Geburt zu erleben und dabei sein zu dürfen, wenn neues Leben geboren wird!

Was sind die größten Herausforderungen?

Eine Herausforderung sind für mich die unregelmäßigen Arbeitszeiten. Babys werden immer geboren, an Sonntag wie Donnerstag, in den frühen Morgenstunden oder mitten in der Nacht. Außerdem ist auch das oftmals mangelnde Ansehen unseres Berufes schwierig…
Daher gebe ich angehenden Hebammen gern die Empfehlung, ein bisschen Kampfgeist mitzubringen!

Gibt es ein Lieblingsereignis in Ihrem Berufsleben als Hebamme?

Meine dreimonatige Zeit als Hebamme in Arusha, Tansania. Hier war ich in einem klitzekleinen „Landkrankenhaus“ tätig. Ohne jegliche technischen Geräte und modernes, in Österreich selbstverständliches Equipment. Mit nicht mehr als 3 Klappbetten und einer kleinen Schachtel voller gespendeter medizinischer Gegenstände war ich aufgerufen, mich auf mein eigenes Wissen, meine gut geschulten Hände, mein Bauchgefühl und mein Herz zu verlassen. Das war wahnsinnig hart, aber wunderschön und erfüllend zugleich.

Dank des Hebammenteams vor Ort und umgeben von außergewöhnlich herzlichen Menschen durfte ich geburtshilflich sowie persönlich unglaublich viel lernen und viele werdende Mütter auf dem Weg zum „Mama-Sein“ und darüber hinaus mit ihren Neugeborenen begleiten. Die Erinnerungen daran sorgen immer wieder für ein breites Lächeln und Gänsehauteffekt.