Welt Parkinson Tag am 11. April 2024
Große Expertise in den WIGEV-Spezialambulanzen der Kliniken Ottakring und Donaustadt
Ziel des jährlichen Welt-Parkinson-Tages ist es das Bewusstsein für diese Erkrankung und ihre Auswirkungen auf Betroffene und ihre Angehörigen zu stärken. Parkinson ist die am schnellsten zunehmende neurologische Erkrankung weltweit. In den letzten 25 Jahren hat sich die Zahl der Betroffenen verdoppelt – und es ist mit einem weiteren starken Anstieg zu rechnen. Derzeit sind in Österreich mindestens 25.000 bis 30.000 Menschen betroffen. Bei Parkinson denken die meisten zuerst an zitternde Hände oder Beine. Das muss aber nicht so sein. Es gibt viele andere Symptome und nicht bei allen Betroffenen äußert sich die Erkrankung gleich. In den vergangenen Jahren wurden große Fortschritte in der Behandlung erzielt, die auf innovativen Therapieansätzen beruhen. In den neurologischen Abteilungen des Wiener Gesundheitsverbundes werden Therapiemöglichkeiten für Parkinson angeboten. In den Kliniken Ottakring und Donaustadt gibt es darüber hinaus Spezialambulanzen, die vor allem komplexe Krankheitsverläufe therapieren.
Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages haben wir mit Priv.Doz.in Regina Katzenschlager, Vorständin der Abteilung für Neurologie der Klinik Donaustadt und mit Univ.Prof. Walter Pirker, Vorstand der Neurologischen Abteilung der Klinik Ottakring über die Behandlungsmöglichkeiten und deren Erfolgschancen bei Parkinson gesprochen:
Was ist Parkinson und welche Beschwerden verursacht die Krankheit?
Katzenschlager: Parkinson gehört zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Das bedeutet, dass Hirnzellen sich langsam zurückbilden. Und zwar vor allem jene im Bewegungszentrum des Hirns, die die Überträgersubstanz Dopamin herstellen. Mit zunehmender Erkrankungsdauer kommen auch andere Zellen dazu.
Welche Beschwerden gehen damit einher?
Katzenschlager: Die ersten Beschwerden sind oft eine allgemeine Verlangsamung, eine vorgebeugte Körperhaltung, kleinere oder schlurfende Schritte, ein einseitiger Gang und das für Parkinson charakteristische Zittern. Dieses tritt aber nicht bei allen Betroffenen auf. Typischerweise beginnt es einseitig und ist bei ruhiger Körperhaltung stärker als in Bewegung. Es kann Arme und Beine betreffen.
Gibt es ein grundlegendes Konzept in der Behandlung von Parkinson?
Pirker: Die Parkinson-Therapie steht immer auf zwei Säulen: Einerseits medikamentöser Dopamin-Ersatz und andererseits Bewegung. Bereits in der Frühphase der Erkrankung spielen Sport und körperliches Training eine große Rolle. Die Art des Sports spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass man etwa dreimal pro Woche 45 bis 60 Minuten ausdauernd trainiert, natürlich immer abhängig von den individuellen Möglichkeiten. Mit zunehmenden körperlichen Problemen werden Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie immer wichtiger.
Wie verläuft die Krankheit und kann man sich davor schützen?
Katzenschlager: Den Prozess der Zellveränderungen und des Zellverlusts können wir derzeit noch nicht stoppen oder verlangsamen. Der medikamentöse Dopamin-Ersatz führt aber oft zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden.
Im weiteren Verlauf nehmen bei vielen Betroffenen allerdings jene Symptome zu, die nicht mit dem Dopamin-Mangel zusammenhängen: Schlafstörungen, Verstopfung, kognitive und psychische Veränderungen und später Probleme mit dem Gleichgewicht. Ein Teil davon lässt sich medikamentös behandeln. Allerdings treten mit zunehmender Krankheitsdauer oft deutlich beeinträchtigende Symptome auf (Stürze, Schluckstörungen, ausgeprägte neuropsychiatrische Symptome).
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es im WIGEV und wie sieht die Zukunft aus?
Katzenschlager: In den Spezialambulanzen werden unter anderem die Parkinson-Pumpentherapien eingesetzt. Dabei werden hochwirksame Medikamente gleichmäßig zugeführt. Entweder unter die Haut oder mittels Sonde in den Magen-Darm-Trakt. Das führt meist zu erheblichen Verbesserungen des Zitterns. Bei Patient*innen, für die chirurgische Methoden wie die tiefe Hirnstimulation in Frage kommen, besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem AKH Wien.
Pirker: Alle derzeit zur Verfügung stehenden Therapien können Symptome zwar lindern, Krankheitsfolgen wie geistigen Abbau oder Halluzinationen aber nicht verhindern. Diese könnten wohl nur durch Substanzen verhindert werden, die den Nervenzellverlust stoppen oder verlangsamen. In den letzten Jahren hat sich diesbezüglich sehr viel getan. Es gibt im Augenblick gute Therapieansätze, die in zehn oder 20 Jahren zu einer Verlangsamung oder im besten Fall sogar zu einer Heilung der Erkrankung führen könnten. Die in Frage kommenden Medikamente müssen aber noch in großen klinischen Studien getestet werden. Die Neurologische Abteilung der Klinik Ottakring wirkt an solchen Studien mit.
Parkinson ist noch nicht heilbar. Welche Rolle spielt daher die Früherkennung?
Pirker: Die Parkinson-Krankheit ist erfreulicherweise über viele Jahre gut behandelbar. Die Einführung von L-Dopa vor nun mehr als 50 Jahren führte zu einer deutlichen Verbesserung von Motorik, Lebenserwartung und Lebensqualität von Parkinson-Patient*innen. In den letzten Jahrzehnten kamen zahlreiche weitere Medikamente hinzu. Aber noch immer sind viele Probleme ungelöst. Die bisher verfügbaren Medikamente können den zunehmenden Nervenzellverlust, der dem Fortschreiten der Erkrankung zugrunde liegt, nicht aufhalten.
Katzenschlager: Derzeit laufen weltweit viele Studien mit dem Ziel, den Krankheitsprozess selbst über verschiedene Angriffspunkte günstig zu beeinflussen. Für eine zielgerichtete, personalisierte Behandlung spielen genaue genetische Ursachen und Risikofaktoren eine große Rolle. Eine Möglichkeit wäre, mehrere Therapieansätze individuell zu kombinieren. Dazu liegen bereits erste positive Ergebnisse vor. Diese müssen allerdings noch in großen Studien nachgewiesen werden.
Eine frühe Diagnose ist wichtig, weil ein früher Therapiebeginn die Lebensqualität deutlich verbessert. An Therapiemöglichkeiten, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder stoppen, wird derzeit intensiv geforscht.