Transkulturelle Psychotherapie: Wie unsere Geschichte unsere Gesundheit beeinflusst
„Manchmal drückt der Körper bereits etwas aus, was die Seele noch nicht ausdrückt“, beschreibt Dr.in Ulrike Kamieniarz. Gemeinsam mit Dr.in Marianne Wiener-Withalm arbeitet die Ärztin in der psychosomatischen Ambulanz der Klinik Favoriten. Dort betreuen sie Patient*innen, die neben einer organischen Erkrankung auch ein seelisches Leiden haben. Dabei interessieren sie sich besonders für das Wechselspiel zwischen Körper und Geist. Oft spielen dabei kulturelle Aspekte eine große Rolle. Aber wie beeinflusst unsere Kultur Gesundheit bzw. Krankheit? Welche Bedeutung haben kulturelle Aspekte bei der Behandlung von Patient*innen?
Körper und Seele im Einklang
Mit diesen Fragen beschäftigen sich Kamieniarz und Wiener-Withalm intensiv und lassen diese Erfahrungen in die Therapie ihrer Patient*innen einfließen. „In der transkulturellen Psychotherapie betrachten wir Menschen in ihrer Gesamtheit. Wir erarbeiten gemeinsam die psychosomatischen oder somatopsychischen Zusammenhänge. Damit ist das Zusammenspiel zwischen Körper und Seele gemeint und dies ist von großer Bedeutung“, so Ulrike Kamieniarz.
In gemeinsamen Gesprächen schildern Patient*innen ihren Lebens- und oft auch langen Leidensweg. Dadurch werden Probleme sichtbar. „In die Psychosomatische Ambulanz kommen Patient*innen, deren Leiden oft größer ist als die organische Krankheit es vermuten lässt. Hier heißt es genau hinsehen und herausfinden, ob die seelischen Belastungen die Erkrankung oder die Schmerzen noch zusätzlich verstärken. Das können zum Beispiel traumatische Kriegserfahrungen sein“, so Wiener-Withalm. Bestimmte Schmerzen, die Patient*innen erleiden, könnten sie etwa an ihre Erfahrungen im Krieg erinnern. Die Schmerzen werden dadurch eventuell schlimmer oder anders wahrgenommen.
Kultur ist keine geschlossene Kugel
Um die Hintergründe des oft großen Leidens von Patient*innen verstehen zu können, braucht es viel Erfahrung. Diese haben sich die beiden Ärzt*innen in den Jahren angeeignet. „In der transkulturellen Psychotherapie ist die kontinuierliche Weiterbildung von großer Bedeutung. Kultur ist keine geschlossene Kugel. Sie ist fließend und verändert sich. Das müssen wir in unserer Therapie berücksichtigen und uns auch ständig selbst reflektieren“, betont Wiener-Withalm.
Psyche verursacht Schmerzen
Meist werden Patient*innen aus dem ambulanten oder auch stationären Bereich in die psychosomatische Ambulanz weitergeleitet. „Patient*innen kommen dann zu uns, wenn ihre medizinische Behandlung nicht den gewünschten Erfolg bringt und man vermutet, dass ‚mehr‘ hinter ihrer Krankheit und ihren Schmerzen steckt“, erklärt Kamieniarz. In vielen Gesprächen tasten sich die beiden Ärzt*innen dann an den Ursprung des Problems heran. Dieser kann vielfältig sein. Kulturelle Aspekte beinhalten die Migrationsgeschichte und Sprachbarrieren genauso wie individuelle familiäre Erfahrungen. Und sie sind nur einige der Faktoren, die einen Einfluss darauf haben können, wie Patient*innen mit Krankheit und Schmerzen umgehen, wie sie diese empfinden und auch artikulieren können. Auch in der Therapie sind diese Faktoren von Bedeutung, da falsche Erwartungen sowohl von Patient*innen als auch von Mediziner*innen die Diagnosestellung und Behandlung beeinflussen können. „Das können zum Beispiel kulturelle Traditionen anderer Länder sein, die bei uns falsch interpretiert werden“, so Wiener-Withalm.