Orange The World Anzeigepflicht - Links: Dr.in Daniela Dörfler, Rechts: Pflegeberaterin Sabine Eder

Schwerpunkt: Gewalt gegen Frauen

Multiprofessionelle Begleitung: Umgang mit Gewaltdelikten bei Patient*innen

Die Opferschutzgruppen im Wiener Gesundheitsverbund betreuen und versorgen Menschen die Opfer eines Gewaltdelikts wurden.

Das Gewaltschutzgesetz 2019 gibt den rechtlichen Rahmen für den Umgang mit gewaltbetroffenen Personen vor. In der gelebten Praxis braucht es dafür viel Sensibilität, denn die gewaltbetroffenen Personen stehen nach einem aktuellen Vorfall unter Druck und Stress. Man muss ihnen Sicherheit vermitteln und sie auffangen. Ebenso gefragt ist multiprofessionelle Unterstützung über die verschiedensten Abteilungen hinweg. Externe Kooperationspartner*innen helfen in weiterer Folge einen Weg in ein sicheres Umfeld zu finden.

Dabei stehen das Wohl und vor allem die Sicherheit der Patient*innen immer im Mittelpunkt. Das ist auch ein besonderes Anliegen von Gynäkologin Dr.in Daniela Dörfler und Pflegeberaterin Sabine Eder. Sie sind Teil der Opferschutzgruppe im AKH Wien.

Anzeigenpflicht: Herausforderungen im Alltag

Dr.in Daniela Dörfler hält fest: „Wir haben nicht die Aufgabe, wie Polizist*innen einen Fall zu klären. Wie schlimm ist die Situation? Wir nehmen es aber immer Ernst, signalisieren unsere Gesprächsbereitschaft und machen Angebote, um die Situation der Patient*in zu lösen.“

Gewaltdelikte sind anzeigepflichtig. Grundsätzlich können sich aber Patient*innen einer Anzeige entschlagen. Liegt allerdings eine akute Gefährdung der Person vor, muss laut Gesetz angezeigt werden. Besteht keine akute Gefährdung, müssen Patient*innen einer Anzeige zustimmen. Ob oder wann angezeigt wird, entscheidet die gewaltbetroffene Person. Sowohl die Opferschutzgruppen und ein multiprofessionelles Team als auch externe Patner*innen leisten Hilfestellung bei diesem Schritt.

Bei einem aktuellen Vorfall ist es allerdings wichtig innerhalb von 72 Stunden eine Spurensicherung vorzunehmen. Abstriche und Abnahmen sind vor Gericht wichtiges Beweismaterial. Sie sind ein wesentlicher Hinweis auf Täter*innen. Eine Anzeige ist davon völlig unabhängig. Diese kann auch mehrere Monate später erfolgen.

Mitarbeiter*innen, die mit diesem Thema konfrontiert werden, müssen dafür gewappnet sein. „Wir haben auch damit zu leben, dass gewaltbetroffene Frauen nach einer Beratung einfach aufstehen, gehen und das Haus verlassen. Das muss man aushalten“, unterstreicht Pflegeberaterin Sabine Eder. Wird nach einem Beratungsgespräch keine Anzeige erstellt, muss das entsprechend der vorgegebenen Prozesse dokumentiert werden. Dennoch gilt es bei einer Vermutung, dass eine Person von Gewalt betroffen ist, ein Gesprächsangebot zu machen. Studien belegen, dass 82% der Patient*innen sich wünschen angesprochen zu werden.

Achtsamkeit ist in allen Abteilungen gefragt

Stichwort Zahlen: Im AKH Wien wurden letztes Jahr 480 gewaltbetroffene, volljährige Menschen erfasst. Ein Viertel davon sind keine Akutfälle. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel wegen anderen Erkrankungen oder einer Operation aufgenommen wurden. Bei der Gelegenheit fallen dann plötzlich blaue Flecken oder andere Symptome auf. Dank aufmerksamer Kolleg*innen, die dann den Kontakt mit der Opferschutzgruppe aufnehmen, kann diesen Patient*innen geholfen werden.

Daher wollen Dr.in Daniela Dörfler und Pflegeberaterin Sabine Eder deutlich darauf aufmerksam machen, dass gewaltbetroffene Personen in allen Abteilungen einer Klinik anzutreffen sind. Umso wichtiger sind Schulungen, um hier das Bewusstsein rund um das Thema zu stärken.

In diesem Sinne auch der klare Apell von Dr.in Daniela Dörfler: Immer auf das Bauchgefühl hören! Besteht die Vermutung, dass bei den Patient*innen Gefahr in Verzug ist, können die Mitarbeiter*innen der Opferschutzgruppen zur Unterstützung kontaktiert werden, um die nächsten Schritte zu besprechen. Im Nachtdienst und am Wochenende ist eine Aufnahme als Opferschutzfall zur Kontaktaufnahme mit allen Helfersystemen, wie zum Beispiel Frauenhaus, Polizei und natürlich den Mitgliedern der Opferschutzgruppe, sehr hilfreich. Die Patient*innen kommen zur Ruhe und können auf die erforderlichen Maßnahmen besser vorbereitet werden und diese dann auch besser mittragen.