Interview von Steer und Scheed (beide KFN) zum Thema Kinderschutz im WIGEV

Orange the World: Kinderschutz im Wiener Gesundheitsverbund

Gemeinsam für die Sicherheit von Kindern: Herausforderungen, Lösungen und Verantwortung

 Das Interview mit Matthias Steer, STLP der Kinder- und Jugendambulanz, und Teresa Scheed, Sozialarbeiterin in der Klinik Favoriten, beleuchtet ein Thema von großer gesellschaftlicher Relevanz: den Schutz von Kindern vor Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung. In einer Zeit, in der die Risiken für Kinder vielfältiger werden – sei es durch soziale Medien oder gesellschaftliche Stressfaktoren – ist es umso wichtiger, Maßnahmen zu ergreifen, die ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden gewährleisten. Das Gespräch gibt Einblicke in die Herausforderungen und Lösungen im Bereich des Kinderschutzes, thematisiert präventive Ansätze, die Rolle der Gemeinschaft sowie die Bedeutung von Bildung und Bewusstseinsbildung. Gleichzeitig bietet es persönliche Perspektiven und zeigt, wie jeder Einzelne dazu beitragen kann, Kindern ein sicheres Aufwachsen zu ermöglichen.

  1.  Können Sie uns eine kurze Übersicht über die wichtigsten Herausforderungen im Bereich Kinderschutz geben?

Im Bereich Kinderschutz bestehen die zentralen Herausforderungen darin, Unsicherheiten und Ängste beim Melden von Verdachtsfällen zu überwinden und die oft schwierige Erkennung von Anzeichen für Missbrauch oder Vernachlässigung zu verbessern. Eine engmaschige Kommunikation und Kooperation zwischen den beteiligten Mitarbeiter*innen aus den multiprofessionellen Teams sowie die Etablierung standardisierter Abläufe und klarer Verantwortlichkeiten sind entscheidend, um Kinder effektiv zu schützen und Verdachtsfälle angemessen abzuklären.

  1. Derzeit findet weltweit die Aktion „Orange the World“ für den Kinderschutz bzw. den Schutz von Mädchen statt. Wie können wir als Gesellschaft zum Schutz beitragen?

Die Initiative „Orange the World“ hebt die Bedeutung des Schutzes von Frauen und Mädchen vor Gewalt hervor. Als Gesellschaft können wir dazu beitragen, indem wir sensibilisieren, aufklären und geschlechterspezifische Schutzmaßnahmen fördern. Konkret bedeutet das: hinsehen, hinhören und einschreiten, um Betroffene zu unterstützen und Gewalt zu verhindern.

  1. Gibt es besonders effektive vorbeugende Maßnahmen, um Kinder vor Gewalt und Missbrauch zu schützen?

Eine effektive Prävention im Kinderschutz erfordert vor allem die frühe Sensibilisierung, damit die Anzeichen von Gewalt und Missbrauch frühzeitig erkannt werden können. Ergänzend dazu sind standardisierte Abläufe für Verdachtsmeldungen essenziell, um eine strukturierte Vorgehensweise zu gewährleisten. Ebenso wichtig ist ein vernetztes Vorgehen, das Klinikpersonal und Organisationen eng miteinander verbindet, um eine schnelle und umfassende Hilfe für betroffene Kinder sicherzustellen.

  1. Wie wichtig ist Bildung in der Aufklärung über Kinderschutz? Welche Programme sind besonders hilfreich?

Bildung hilft, Anzeichen von Missbrauch frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Als hilfreich haben sich in diesem Zusammenhang Informationsveranstaltungen und Fortbildungen erwiesen. Diese sind bereits im Bildungsprogramm des WIGEV etabliert.

  1. Die Klinik Favoriten bietet diverse Unterstützungssysteme für Kinder, die Opfer von Missbrauch oder Gewalt geworden sind. Wie funktioniert das?

Eine stationäre Aufnahme auf einer unserer Stationen ermöglicht eine sorgfältige Diagnosestellung, während eine psychologische Begleitung und die Erstellung einer Sozialanamnese die Situation umfassend beleuchten. In enger Abstimmung mit den erforderlichen Maßnahmen, gegebenenfalls auch unter Einbeziehung der Polizei, wird sichergestellt, dass betroffene Kinder bestmöglich geschützt und unterstützt werden.

  1. Welche Rolle spielen Gemeinschaften und Nachbarn im Kinderschutz? Wie können sie aktiv werden?

Gemeinschaften und Nachbarn spielen im Kinderschutz eine wichtige Rolle, da sie oft erste Auffälligkeiten bemerken. Durch aufmerksames Handeln und das Melden von Verdachtsfällen können Risiken frühzeitig erkannt werden. Indem etwa Nachbarn praktische Hilfe bei Alltagsaufgaben anbieten, entlasten sie die Eltern und reduzieren Stress. Diese Solidarität trägt dazu bei, Kinder besser zu schützen und Risiken zu minimieren.

  1. Gibt es besondere Risiken durch soziale Medien für Kinder, und wie können Eltern und Erziehungsberechtigte damit umgehen?

Soziale Medien bergen für Kinder Risiken wie Gewalt, Missbrauch und schädliche Inhalte. Eltern sollten über Online-Gefahren informiert sein, die Mediennutzung ihrer Kinder überwachen und offene Gespräche führen, um Vertrauen zu schaffen und die Risiken zu minimieren. Auch der eigene Medienkonsum der Eltern spielt eine wichtige Rolle, da er die Eltern-Kind-Interaktion einschränken kann. Bewusstes Vorleben eines verantwortungsvollen Umgangs mit Medien fördert nicht nur die Beziehung zum Kind, sondern vermittelt auch einen achtsamen Umgang mit digitalen Medien.

  1. Welche Veränderungen wünschen Sie sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren im Bereich Kinderschutz?

Für die Zukunft des Kinderschutzes sind eine verstärkte Standardisierung und Vernetzung zwischen den beteiligten Organisationen von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig ist es wichtig, die öffentliche Sensibilisierung für das Thema weiter zu fördern und durch flächendeckende Schulungen im Bereich Kinderschutz sicherzustellen.

  1. Gibt es konkrete Schritte, wie wir alle als Einzelpersonen den Kinderschutz unterstützen können?

Einzelpersonen können zum Kinderschutz beitragen, indem sie Sensibilität für die Thematik entwickeln und die Bereitschaft zeigen, Verdachtsfälle von Gewalt oder Missbrauch zu melden. Die Teilnahme an Fortbildungen und Aufklärungskampagnen stärkt das Wissen und die Kompetenz, um aktiv zum Schutz von Kindern beizutragen.

  1. Was hat Sie persönlich motiviert, im Bereich Kinderschutz zu arbeiten, und welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Die Arbeit im Kinderschutz ist eine zutiefst erfüllende Aufgabe, denn sie bietet die Chance, das Wohl der Kinder zu sichern und nachhaltige Veränderungen in ihrem Leben herbeizuführen. Kinder sind unsere Zukunft, und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, sicherzustellen, dass jedes Kind die Möglichkeit hat, in einer gewaltfreien Umgebung aufzuwachsen und sein volles Potenzial zu entfalten. Die Herausforderungen, Verdachtsfälle zu erkennen und konsequent zu handeln, sind oft anspruchsvoll, doch sie verblassen im Angesicht der tiefen Bedeutung dieser Arbeit. Jedes gerettete Lächeln und jeder Schritt hin zu einer sicheren Kindheit zeigt, wie wichtig es ist, niemals wegzusehen. Denn jedes Kind verdient eine unbeschwerte und geschützte Kindheit – frei von Angst, voller Hoffnung und Möglichkeiten.