Warum es wichtig ist, wie wir sprechen: Gender-gerechte Sprache
„Ich habe gemerkt, dass du dich freust, wenn ich nachfrage, anstatt nur komisch zu schauen“
Ems ist Physiotherapeut*in im Wiener Gesundheitsverbund und lebt seit 2012 offen als nicht-binäre Person. Das bedeutet: Ems ist weder weiblich noch männlich. Für viele Menschen ist das neu und ungewohnt. Das war auch bei Ems Kollegin Franziska der Fall. Sie ist Logopädin im Wiener Gesundheitsverbund. Im gemeinsamen Gespräch geben Ems und Franziska Einblicke in Ems‘ Start im Team und konkrete Tipps für eine gute Zusammenarbeit.
Franziska, wie war es für dich, eine nicht-binäre Person kennen zu lernen und ins Team zu bekommen?
Ich habe keine Berührungsängste mit unterschiedlichen Lebensweisen, deswegen habe ich mich gefreut, dich kennen zu lernen. Jetzt bist du Teil des Teams. Da stichst du wegen deines Geschlechts nicht besonders heraus, aber ich kann immer wieder etwas Neues von dir lernen.
Das „über dich sprechen“ ist manchmal noch schwierig. (lacht) Ich kann mich noch gut an unsere erste gemeinsame Begegnung mit einer Patientin erinnern. Da habe ich mich richtig verloren gefühlt, weil ich gemerkt habe: Ich weiß wirklich nicht, wie ich dich der Patientin vorstellen soll! Ich weiß, dass es dich nicht kränkt, weil du wiederum weißt, dass es von mir nicht böse gemeint ist. Seitdem verwende ich immer die neutrale Form „es kommt die Physiotherapie“ und versuche, kein Personalpronomen zu verwenden.
Hat sich etwas in deinem Denken zu gender- und geschlechter-gerechter Sprache geändert?
Klar! Ich mag dich, ich rede gerne über dich, da ist das besonders präsent. Ich habe vorher schon Artikel zu dem Thema gelesen, aber es wird ja erst notwendig, es auch sprachlich umzusetzen, wenn du jemanden kennst.
Welche du Tipps hast du für Kolleg*innen, die sich erst kürzlich mit dem Thema befassen?
Prinzipiell: Offen sein und fragen! Ich habe gemerkt, dass du dich freust, wenn ich unsicher bin und nachfrage – anstatt nichts zu sagen und nur komisch zu schauen.
Mein Tipp: Mir hat es geholfen, Personalpronomen wie „er, sie, seine, ihre,“ zu vermeiden. Diese Worte ganz aus dem Wortschatz zu streichen ist im Deutschen super schwer, im Englischen gibt es da bessere Alternativen wie das singulare „they“.
Was ich auch gemerkt habe: Wenn jemand negativ eingestellt ist, bringt es wenig, über Sprache zu reden und dabei Energie zu verbraten. Wenn Personen sagen: „Das ist mir zu anstrengend“ zeigt das, dass sie sich eigentlich nicht damit auseinandergesetzt haben. Wer wirklich offen ist, wird auch keine Schwierigkeiten haben, kleine Hürden zu überwinden.
Welche Rolle spielt Gender-Gerechtigkeit für den Wiener Gesundheitsverbund?
Nicht überall wird Gender-Gerechtigkeit schon so gelebt, wie bei uns im Team. Das denke ich auch, wenn ich Beiträge zum Diversitätsmonat lese. Aber ich freue mich, dass zumindest die Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird. Ich würde mich auf jeden Fall über mehr Aktionen freuen!
Jetzt habe ich aber eine Frage an dich, Ems:
Wie geht es dir als non-binäre Person in deinem Arbeitsalltag? Was wünschst du dir?
Ich habe eine sehr unterstützende Leitung, die es mir ermöglicht und mich ermutigt, in verschiedensten Listen richtig bezeichnet zu sein. Mein Therapeut*innen-Team war von Beginn an sehr offen, interessiert und bemüht. Manchmal rutscht ein „er“ oder „sie“ heraus, aber es wird immer weniger. Im Kontakt mit anderen im Stationsalltag komme ich deutlich seltener dazu, das Thema anzusprechen, vor allem bei oft wechselnden Teams. Outing ist auch immer mit Stress verbunden, weil es keine Garantie gibt, dass das Gegenüber dir nicht doch die Existenz abspricht, das kann schmerzhaft sein. Wenn jemand fragt, rede ich aber gerne drüber und bis jetzt hat alles gut geklappt. Momentan setzt sich meine Chefin aus eigenem Antrieb dafür ein, dass auch meine Dienstkleidung nicht mit Herr oder Frau bezeichnet ist. Ich fühle mich an meinem Arbeitsplatz wirklich sehr gut aufgehoben! Danke an alle!