Mit Kampfgeist und Vertrauen
Behindertenvertrauensperson im Wiener Gesundheitsverbund
„Ich habe schon immer kämpfen müssen“, sagt Susi Torgler. Seit über zehn Jahren ist sie Behindertenvertrauensperson der Klinik Ottakring. Sie gehört zu den fast 800 Mitarbeiter*innen im Wiener Gesundheitsverbund, die „begünstigte Behinderte“ sind.
Davon sind rund 75% Frauen. Susi Torgler sieht man ihre Behinderungen nicht an. Das ist bei den meisten Mitarbeiter*innen mit Behinderungen so. Auch bei Evi Granditsch, die ebenfalls in der Klinik Ottakring arbeitet. Die erste gemeinsame Verabredung von Susi Torgler und Evi Granditsch findet nicht in der Klinik, sondern an einem neutralen Ort statt.
Das ist keine Seltenheit. „Was sagen die Kolleg*innen, wenn sie mich mit ihr sehen?“ Die Hemmschwelle ist groß, über die Behinderungen und die Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zu sprechen. Doch das Vertrauen zu Susi Torgler war bei Evi Granditsch sofort da. „Behindertenvertrauensperson kann nur jemand sein, der das selbst erlebt hat“, so Susi Torgler. Sie hat Schweigepflicht. Was sie mit ihren Klient*innen bespricht, bleibt bei ihr.
Seite an Seite
Beim ersten Treffen, hat Evi Granditsch all ihre medizinischen Befunde dabei. Susi Torgler arbeitet sich durch jedes Blatt. Danach kommt der so genannte „Feststellungsantrag auf Grad der Behinderung“ ans Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen: „Es kann sein, dass wir den Antrag nicht beim ersten Mal durchbekommen. Dann gehen wir in Berufung.“ Denn erst ab einem Behinderungsgrad von 50% gehören die Betroffenen zu den so genannten „begünstigten Behinderten“. Eine wichtige Sicherheit für die Mitarbeiter*innen, die durch ihre schweren Erkrankungen besonders belastet sind.
Dafür kämpfen die Klient*innen mit Susi Torgler Seite an Seite. Sie telefoniert bis in die späten Abendstunden mit ihnen. Häufig betreut sie nicht nur die Mitarbeiter*innen mit Behinderungen, sondern auch deren Teams. Sie inspiziert den Arbeitsplatz, führt vermittelnde Gespräche mit den Vorgesetzten und Kolleg*innen. Die Sorge, jemand könne den Behindertenstatus ausnutzen, steht so manches Mal im Raum. Das kommt vor, aber sehr selten. „Wenn du nur auf deine Rechte pochst, aber deinen Pflichten nicht nachkommst, schädigst du damit alle anderen“, sagt Susi Torgler trocken.
Frauen sind mehrfach belastet
Von ihren Kolleg*innen bekommt sie Unterstützung für Ihre ehrenamtliche Arbeit als Behindertenvertrauensperson. Unterstützung, die ihr zuhause manchmal fehlt: „Als Frau haben wir eine vielfache Belastung. Wir sollen schauen, dass wir für Nachwuchs sorgen, arbeiten und für die Familie da sind. Und dann gibt es auch noch Angehörige, die wir pflegen müssen.“
So ist es auch bei Evi Granditsch. „Reiß dich zusammen!“, hat sie von ihrem Umfeld schon häufig gehört. In Susi Torgler hat sie eine verständnisvolle und kompetente Ansprechperson gefunden. „Susi Torgler ist etwas Besonderes“, sagt Evi Granditsch. Durch sie hat sie das Selbstbewusstsein bekommen, offen mit ihren Behinderungen umzugehen. Was sie ihren Klient*innen schon beim ersten Treffen sagt? „Du brauchst dich nicht schämen. Ich gehe mit dir! Du bist nicht allein!“